Evangelische Pfarrgemeinde Gmünd – Waidhofen an der Thaya

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Predigt zum Angelobungsgottesdienst der neuen Gemeindevertretung am 2. Advent in der Friedenskirche Gmünd

Offenb 3, 7-13 (Basisbibel Übersetzung)

7 »Schreib an den Engel der Gemeinde in Philadelphia: ›So spricht der Heilige, der Wahrhaftige, der den Schlüssel Davids hat.– Was er öffnet, kann niemand wieder schließen. Und was er schließt, kann niemand wieder öffnen. – Er lässt euch sagen: 8 Ich kenne deine Taten. Sieh hin, ich habe vor dir eine Tür geöffnet, die niemand wieder schließen kann. Du hast zwar nur wenig Kraft. Aber dennoch hast du an meinem Wort festgehalten und hast meinen Namen nicht verleugnet. 9 Ich schicke nun einige Leute zu dir, die zur Versammlung des Satans gehören. Sie bezeichnen sich selbst als Juden. Aber das sind sie nicht, vielmehr lügen sie. Ich werde sie dazu bringen, dass sie zu dir kommen und sich vor deinen Füßen niederwerfen. Sie sollen erkennen, dass ich dich geliebt habe. 10 Du hast dich an mein Wort gehalten, standhaft zu bleiben. Deshalb halte ich auch in der Stunde zu dir, wenn alles auf die Probe gestellt wird. Sie wird über die ganze Welt hereinbrechen, um die Bewohner der Erde zu prüfen. 11 Ich komme bald. Halte an dem fest, was du hast, damit dir niemand den Siegeskranz wegnimmt.

12 Wer siegreich ist und standhaft im Glauben, den werde ich zu einer Säule machen im Tempel meines Gottes. Er wird ihn nie mehr verlassen müssen. Ich werde den Namen meines Gottes auf ihn schreiben und den Namen der Stadt meines Gottes. Diese Stadt ist das neue Jerusalem, das von meinem Gott aus dem Himmel herabkommen wird. Auch meinen neuen Namen werde ich auf ihn schreiben. 13 Wer ein Ohr dafür hat, soll gut zuhören, was der Geist Gottes den Gemeinden sagt!«

Predigttext:

Liebe Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter, ihr wurdet gewählt als die Vertretung aller evangelischen Gläubigen im oberen Waldviertel, in der Pfarrgemeinde Gmünd – Waidhofen an der Thaya und heute werdet ihr angelobt. Man könnte sagen – heute feiern wir euren Erfolg.

Bestimmt kennt ihr schon manchen Erfolg. Was sind die Lebensbereiche, in denen ihr schon einmal einen Sieg mal erlebt habt? Im Sport, im Wettbewerb, im Kampf mit dem eigenen Schwächen, in Alltagssituationen?

Wie fühlt sich das an? Spürt man in jedem Sieg auch die Sorge und die Frage: „Wie lange wird es mir gelingen meine Siegeskrone zu behalten?“ Die Tatsache des Lebens ist, dass immer früher oder später es jemanden gibt, der noch besser, erfolgreicher, geschickter, klüger oder schöner ist. Dieses Problem kannte schon die Stiefmutter von Schneewittchen und schaute ganz genau, dass keiner ihr ihre Siegeskrone nimmt. Meint der heutige Predigttext mit den Worten: „11 Halte an dem fest, was du hast,damit dir niemand den Siegeskranz wegnimmt.“ das, dass wir in der Pfarrgemeinde auch mit allen Mitteln um den Erfolg kämpfen müssen? Ermutigt uns der heutige Predigttext zu dem ewigen Konkurrenzkampf in den wir uns öfters bewusst oder unbewusst hineinsteigern und durch permanenten Druck immer mehr und mehr leisten müssen? Ermutigt uns der Predigttext für ein Leben mit unzähligen Startknöpfen ohne einen einzigen Stoppknopf?

 Ist eure Teilnahme an der Arbeit der Gemeinde auch ein zusätzlicher Startknopf? Religion ist weder ein soziales Projekt noch ein Verein mit Gemeinschaftszwang. Ihr müsst nicht in die Kirche! Noch weniger zum Gottesdienst, wie zu einem Mitmachspiel. Ihr müsst auch nicht die Gemeinschaft pflegen, weil jemand anderer euch sagt, dass das so gut ist. Ihr müsst auch nicht den Gottesdienst als noch einen zusätzlichen Termin in euren Kalender eintragen.

Die Kirche ist der Ort, an dem ihr Platz für euer inneres Leben findet, an dem ihr den Fokus auf das Eigentliche richtet und den Themen, die trotz ihrer Wichtigkeit fast aus dem Leben zu verschwinden drohen, die Aufmerksamkeit gebt. Gottesdienst ist ein Stoppknopf für das Karussell des Alltags.

Hier kommt ihr an die Wurzel des Seins aus der euer Alltagsleben, Beziehungsleben, Berufsleben, das körperliche Dasein und das Glück des Lebens entspringt.

Also – Gottesdienst ist eine Wurzelbehandlung! Jedes Gebet ist eine Wurzelbehandlung! Jede Auseinandersetzung mit dem Innersten eurer Seele ist eine Wurzelbehandlung des Lebens. Und wenn ihr auf einmal an teilweise schmerzhafte Erfahrungen beim Zahnarzt denken müsst und eher Abneigung dazu verspürt, dann ja – mit dem eigenem Sein wirklich sich zu beschäftigen ist immer auch schmerzhaft. Kirche ist kein Ort der Unterhaltung. Sie wird zu einem lebensnotwendigen Ort, sobald man sich auf die Botschaft des Evangeliums sich einlässt.

Es ist herausfordernd. Und die Vielfalt der religiösen Vorstellungen in unterschiedlichen Kulturen zeigt nur, wie mühsam der Zugang sein kann und wie einfallsreich wir werden müssen um an uns selbst und an das Göttliche heranzukommen. Jesus ist die Garantie, dass das möglich ist. Und das ist unsere Mühe wert, weil es unsere menschliche und christliche Aufgabe ist den Gott vom Himmel in uns selbst wahrzunehmen, damit Gott so auf dieser Welt handlungsfähig wird für uns und für andere. Dadurch wächst dann auch die Gemeinschaft, aber ohne Zwang oder Erwartung von außen. Die Gemeinschaft der Menschen, die Gott in sich ehrlich suchen und auch finden ist immer freiwillig und bedeutet: Die Liebe in sich wachsen zu lassen und mit Angst und Schmerz, Trauer und Wut mit innerlich erhobenem Kopf umzugehen lernen.

Seit Jahrtausenden lehrt Christentum Menschen mit ihren negativen Emotionen und Gefühlen wie Wut, Angst, Schmerz, Neid, Eifersucht, Hass umzugehen. Wem es gelingt, der trägt die Siegeskrone. Wem es gelingt, der weiß, wie wichtig es ist an dem Göttlichen festzuhalten um diesen Sieg nicht zu verlieren, weil diese Aufgaben oft über unsere menschliche Kraft hinausgehen. Ein tiefes und echtes Vergeben. Ein Einstehen für sich selbst. Das ist so schwer für die Menschen, die das nie gelernt haben. Ein Grenzen setzen für die, die sich das nie getraut haben. Oder innere Kraft zu leben für die, die immer angepasst und brav waren! Oder sich zurücknehmen für die, die sich selbst für genial halten und sich überschätzen. Das alles sind Bereiche in dem Christentum mit seiner sehr einfachen und gleichzeitig sehr komplizierten Botschaft unschlagbar ist. Christentum ist die Religion, die Menschen stark macht für sich selbst und für andere.

Der Anfang ist immer bei sich selbst und deshalb feiern wir Gottesdienste und beschäftigen uns mit den Themen, die die Wurzeln des Lebens betreffen. Das im Glauben verwurzelte Wissen – ich bin gut, geliebt, wertvoll und sehr wichtig auf dieser Welt, ist keine überhebliche Selbstüberschätzung, sondern durch Schmerz und Herausforderungen gewachsene tiefe Verankerung in Gott. Das Wissen: über mir gibt es etwas Größeres, das wir Gott nennen und das ich an dem tiefsten Punkt meiner Seele finde und so müssen ich und meine Wunden nicht der absolute Endpunkt meines Lebens sein. Das entlastet an all den Lebenssituationen an denen wir in uns selbst die Liebe und das Licht nicht finden können. Dann haben wir das aber verlässlich als Halt in Gott – in unserem ewigen Gegenüber.  Die Gemeinde brauchen wir deshalb, damit wir an schweren Tagen des Lebens, es nicht vergessen, damit es jemanden gibt, der uns daran erinnert. Über oder unter oder um uns ist Gott, dessen Liebe wir in uns und dadurch in diese Welt tragen dürfen. Mit Klarheit und Einfachheit dürfen wir die enorme Komplexität des Christentums (und ganz bewusst des Lutherischen) leben, weil keine andere Religion und Konfession es schafft das Böse so zu überwinden, wie das durch Jesus geschehen ist. Nichts kann uns von Gott trennen, durch Christus steht uns der Himmel zu. Er ist die letzte Instanz unseres Lebens und er ist in uns und ein Gegenüber gleichzeitig.

So ist die Gemeinschaft der evangelischen Christen aus 2 wichtigen Elementen entstanden: 1. aus der tiefen Überzeugung von Gott unendlich geliebt zu sein und 2. aus der Fähigkeit mit Schwierigkeiten des Lebens und schweren Gefühlen umzugehen. So muss sie weiter gepflegt und behütet werden und dem Sinn des Christentums – der Selbst- und Nächstenliebe – durch gesundes, heilendes Miteinander dienen.

Kirche fängt dort an, wo gesundes, heilendes Miteinander wichtiger als Erfolg und Ressourcen ist.

So eine Kirche ist heute in der Gesellschaft notwendiger denn je. In den Nachkriegsjahren hatte Kirche andere Aufgaben – in der Kirche war immer etwas zum Essen und ein Angebot von Veranstaltungen. Heute kann keine Kirche mit Veranstaltungen alleine jemandem wirklich weiterhelfen. Wir sind keine Agentur für Unterhaltung auch wenn unsere Veranstaltungen ein wichtiges Zeichen des Miteinanders und der Beweis des geselligen, uns zugewandten Gottes sind.  Wir haben die Aufgabe Menschen dabei zu begleiten ihre „Wurzeln im Himmel“ zu entdecken, bei ihrer Verwurzelung in den Tiefen ihrer Seele, dort, wo Gott zuhause ist, zu verhelfen. Wir haben die Aufgabe den Menschen den Wert des Lebens wiederentdecken zu helfen und einander immer an die Hoffnung, die uns geschenkt ist, zu erinnern. Und ihr, liebe Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter, sind die, die diese Aufgabe nun für die nächsten 6 Jahre im Rahmen ihrer Möglichkeiten weiterträgt, gestaltet und bewahrt.

Ihr sollt aber dafür nicht unzählige Termine in euren Kalender eintragen, für lange Sitzungen euch verpflichten und euch noch zusätzlich totarbeiten. Wenn ihr die Menschen seid, die Gottes Kraft und Anwesenheit in eurem Leben kennen, dann ist euer Dasein alleine schon die richtige Botschaft. Ihr seid wichtig mit eurem Sein, mit eurem Dasein. Die Siegeskrone ist nicht etwas, was ihr im äußeren Leben erarbeiten sollt. Ihr habt sie schon durch den Glauben an Jesus – an die Möglichkeit die Liebe Gottes unter den Menschen zu leben. Dadurch seid ihr schon die Pfeiler des Tempels, die Menschen, die dieses Wissen in einer Zeit der kommerzialisierten Second Hand Spiritualität bewusst bewahren. Das tut jeder glaubende Mensch und ihr, als Gemeindevertreter, mit eurem Amt betont das nochmal.

 Könnt ihr das, was ihr durch das Amt in der Gemeindevertretung habt, auch verlieren? Nach jedem Sieg und nach jeder Wahl stellt sich diese Frage. Und da ist unser Predigttext hilfreich: „Halte dich fest an dem, was du hast!“ Wenn ihr euren Platz in eurem Leben einnehmt, die Eigenverantwortung durch die tätige Liebe Gottes lebt und Gott größer als ihr selbst akzeptieren könnt, dann habt ihr die Siegeskrone, die unvergänglich ist. Dann müsst ihr nichts dieser Welt durch Wettbewerb um jeden Preis beweisen und doch mit erhobenem Kopf trägt ihr eure Krone und spürt in jeder Lebenssituation die Hoffnung, die größer als alle Schwierigkeiten ist.

Ihr lebt ein Leben in dem beides - Startknopf und Stoppknopf ist. Ihr lebt ein Leben in dem nicht alles möglich ist, aber in dem Erfüllung und Freude, Liebe und Verbundenheit bewusst gelebt werden, in dem ihre Aufgaben und Schwierigkeiten euch stärken und weiterführen.

Ich wünsche mir sehr, dass die Arbeit in der Gemeindevertretung für jeden von euch etwas ist, was euer Leben verbessert, eure Stärken zum Vorschein bringt, euren Schwächen Platz gibt und eure Hoffnung auf Gott und Glück in euren Beziehungen wachsen lässt.

Danke, dass ihr mit eurem Dasein unsere Gemeinschaft bereichert. Amen.