PREDIGT am KARFREITAG 2024

Mt (Matthäusevangelium) Kapitel 27, Verse 33-50

33 Und als sie an die Stätte kamen mit Namen Golgatha, das heißt: Schädelstätte, 34 gaben sie ihm Wein zu trinken mit Galle vermischt; und da er’s schmeckte, wollte er nicht trinken. 35 Als sie ihn aber gekreuzigt hatten, verteilten sie seine Kleider und warfen das Los darum. 36 Und sie saßen da und bewachten ihn. 37 Und oben über sein Haupt setzten sie eine Aufschrift mit der Ursache seines Todes: Dies ist Jesus, der Juden König.

38 Da wurden zwei Räuber mit ihm gekreuzigt, einer zur Rechten und einer zur Linken.

39 Die aber vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe 40 und sprachen: Der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen, hilf dir selber, wenn du Gottes Sohn bist, und steig herab vom Kreuz! 41 Desgleichen spotteten auch die Hohenpriester mit den Schriftgelehrten und Ältesten und sprachen: 42 Andern hat er geholfen und kann sich selber nicht helfen. Er ist der König von Israel, er steige nun herab vom Kreuz. Dann wollen wir an ihn glauben. 43 Er hat Gott vertraut; der erlöse ihn nun, wenn er Gefallen an ihm hat; denn er hat gesagt: Ich bin Gottes Sohn.

44 Desgleichen schmähten ihn auch die Räuber, die mit ihm gekreuzigt waren.

45 Von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde. 46 Und um die neunte Stunde schrie Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? Das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

47 Einige aber, die da standen, als sie das hörten, sprachen sie: Der ruft nach Elia. 48 Und sogleich lief einer von ihnen, nahm einen Schwamm und füllte ihn mit 

Essig und steckte ihn auf ein Rohr und gab ihm zu trinken. 49 Die andern aber sprachen: Halt, lasst uns sehen, ob Elia komme und ihm helfe! 50 Aber Jesus schrie abermals laut und verschied.

Gott, wir stehen vor deinem Wort, segne unsere Gedanken. Amen.

Liebe Gemeinde,

Karfreitag ist der schwerste Tag des Jahres. Es ist kein Feiertag im herkömmlichen Sinne des Wortes. Es ist ein Tag der Welt ohne Gott. Ein Tag an dem wir Gottes Tod gedenken.

Kann Gott sterben? Ich glaube nicht, aber wir können ihn für uns selbst töten. Jeder für sich selbst.

In einem Film aus dem Jahr 2021 unter dem Titel „Ich bin dein Mensch“ nimmt eine Wissenschaftlerin namens Alma an einer Studie teil. Sie muss als Testperson einige Wochen mit einem humanoiden Roboter verbringen. Dieser Roboter sollten demnächst als Partner für einsame Menschen zugelassen werden. Für die Herstellung des Roboters wurden Bedürfnisse und Wünsche und tiefste Sehnsüchte der Testpersonen erfasst, damit der Roboter sie alle erfüllen und den Menschen absolut glücklich machen kann. Alma will nicht an der Studie teilnehmen, doch dafür wird ihr Geld für ihre Forschung angeboten und so lässt sie sich unwillig darauf ein. Beim Kennenlernen an einem Tanzabend war die erste Frage, die sie Roboter Tom stellte: „Gibt es Gott?“. Eine Antwort auf diese Frage bekam sie nicht, weil das Ambiente für den Roboter für das Eingehen auf diese Frage nicht stimmig erschien. Doch die Wichtigkeit der Frage nach Gott entpuppte sich im Film etwas später, als Alma anfing sich in den Roboter zu verlieben. Sie kämpfte dagegen und erklärte Tom, warum die ganze Studie sinnlos sei. Sie erzählte unter anderem, dass sie sich nach einer Enttäuschung selbst geschworen hat, auch in einem abstürzenden Flugzeug nie zu Gott zu beten. Tom, der humanoide Roboter, in dem die Antworten auf die tiefsten Sehnsüchte von Alma einprogrammiert waren, antwortete darauf: „Es wäre nur menschlich in einem abstürzenden Flugzeug zu beten.“

Als würde er sagen: Die Quelle deiner Menschlichkeit ist Gott. Wenn Gott für dich tot ist, dann verlierst du auch deine Menschlichkeit. Die Beziehung zu Gott bestimmt dein Menschsein.

Heute ist der schwerste Tag des Jahres. Und heute, am Karfreitag werden wir so mutig sein und uns selbst fragen: Was sind die abgestürzten Flugzeuge meines Lebens, in denen ich nicht mehr gebetet habe, in denen ich Gott für tot erklärt habe? In denen ich vergessen habe, dass ich Mensch bin, in denen ich das Göttliche in mir, meine tiefsten Sehnsüchte getötet habe. In denen ich aufgrund von Verletzung und Enttäuschung beschlossen habe, auf die Hilfe von Oben nie mehr zu warten. Welche sind die Sehnsüchte, die ich begraben habe? Welche sind die Situationen in denen ich keine Worte für meinen Schmerz finden konnte und dadurch keine Worte für das Gebet mehr übrighatte. Welche sind die Bereiche meines Lebens in denen ich das Gebet für unangemessen hielt. Welche sind die Lebensbereiche für die ich nicht unbedingt verantwortlich, aber trotzdem als der oder die Kompetenteste mich fühlte. Welche sind die Bereiche in denen ich Gott getötet habe, weil ich die Grenzen und Wirkungsbereiche des Gottesvertrauens für mich endgültig eigeschränkt habe. Welche sind die Situationen im Leben, in denen ich die göttliche Führung übernommen habe und dadurch ebenso das göttliche Gegenüber, wie die menschliche Verletzlichkeit verabschiedet habe. Welche sind die Bereiche in denen ich Gott erklärt habe, welchen Job er in meinem Leben zu erledigen hat. Und was, wenn er das nicht tat? Ist er noch mein Gott, wenn ich mich von ihm verlassen fühle?  Spreche ich ihn noch heute an mit „Mein Gott?“

 Was sind all die abgestürzten Flugzeuge meines Lebens, die trostlosen Situationen, die mir weiterhin weh tun, aber in denen ich nicht mehr die Worte finde um zu beten. Bereiche, in denen ich weiterhin Lösungen suche, aber nicht mehr bete. Bereiche in denen ich annehme, dass es keine Lösung außer meiner eigenen gibt. Bereiche in denen ich mich selbst wie ein Gott um alles kümmere, weil ich mich so verlassen fühle und nur auf mich selbst gestellt bin. Diese Erfahrung ist eine der schmerzlichsten Erfahrungen der Menschheit: Die Welt ohne Gott.

Und es ist auch das menschlich, dass wir unser Menschsein manchmal als eine sehr schwere Last erleben und es kaum aushalten können.

Dann wollen wir weg von der Begrenztheit des Menschen! Weg! Wie weit weg geht es? Wie weit können Menschen von ihrem Menschsein sich entfernen und dem Wunsch alles im Griff zu haben nachgehen?

 So weit, dass Gott selbst Mensch geworden ist, damit wir unser Menschsein neu kennenlernen und auch in den Augenblicken oder Lebensabschnitten und Lebensbereichen, in denen wir uns von Gott verlassen fühlen, die Hoffnung über diese Erfahrung hinaus haben. Jesus Tod ist die Antwort Gottes auf die Unerträglichkeit des Seins, auf die Welt ohne Gott, auf die zerstörerische Enttäuschungen des Lebens. Jesus Tod redet diese Wunden nicht gut. Gott stirbt mit uns und spricht zu uns in zweifacher Weise: „Ich bin dein Gott!“ und „Ich bin dein Mensch!“

Er begleitet uns in das Loslassen aller Illusionen, in das Loslassen jeglicher Kontrolle mit seiner Menschlichkeit. Das Einzige, was bleibt, ist der Mut im Glauben sich fallen zu lassen und nichts zu tun. Und auch, wenn wir dann innerlich den Kopf schütteln und uns selbst verspotten und fragen: „Wo ist denn dein Gott? Hättest du deinen Gott, würdest du doch nicht leiden!“ Dann auch das ist menschlich, weil dort, wo Gott ist, kommen alle unsere Erklärungen zu kurz.

Nein, wir können nicht erklären, was Karfreitag für uns ist. Wir können es nur wirken lassen, zuhören und spüren, wie in Gottes Geschichte auch unsere verwoben ist. Faden für Faden. Schmerz für Schmerz. Auferstehung für Auferstehung.

So dürfen wir auch heute, am Karfreitag, zuversichtlich bleiben, den verletzlichen Menschen in uns umarmen und ein Gespräch mit Worten „Mein Gott…“ wieder anfangen. Amen.

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PREDIGT zum Muttertag 2024 (12. Mai)

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Rückschau Buchpräsentation von Markus Fellinger