Evangelische Pfarrgemeinde Gmünd – Waidhofen an der Thaya

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PREDIGT zum Muttertag 2024 (12. Mai)

Johannesevangelium 16, 5-15 (BasisBibel)

5 Aber jetzt gehe ich zu dem, der mich beauftragt hat. Und keiner von euch fragt mich: ›Wohin gehst du?‹ 6 Vielmehr seid ihr traurig, weil ich das zu euch gesagt habe. 7 Doch ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, kommt der Beistand nicht zu euch. Aber wenn ich fortgehe, werde ich ihn zu euch senden. 8 Wenn dann der Beistand kommt, wird er dieser Welt die Augen öffnen – für ihre Schuld, für die Gerechtigkeit und das Gericht. 9 Ihre Schuld besteht darin, dass sie nicht an mich glauben. 10 Die Gerechtigkeit zeigt sich darin, dass ich zum Vater gehe – dorthin, wo ihr mich nicht mehr sehen könnt. 11 Das Gericht bedeutet, dass der Herrscher dieser Welt schon verurteilt ist. 12 Ich habe euch noch vieles zu sagen, aber das könnt ihr jetzt nicht ertragen. 13 Wenn dann der Beistand kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch helfen, die ganze Wahrheit zu verstehen. Denn was er sagt, stammt nicht von ihm selbst. Vielmehr sagt er das weiter, was er hört. Und er wird euch verkünden, was dann geschehen wird. 14 Er wird meine Herrlichkeit sichtbar machen: Denn was er euch verkündet, empfängt er von mir. 15 Alles, was der Vater hat, gehört auch mir. Deshalb habe ich gesagt: Was der Geist euch verkündet, empfängt er von mir.«

Gott, du bist unsere Gegenwart. Du hörst uns zu. Nimm unsere Gedanken über dich und unser Leben mit Barmherzigkeit an. Amen.

“Abschiednehmen” und nachwinken, was alles der Vergangenheit angehört und nicht mehr zum eigenen Leben passt”.

Danke an unseren Fotografen Karl Tröstl (NÖN) für’s “In-Szene-Setzen” 😁!

Liebe Gemeinde,

wie gehen wir in die Zukunft, wie entwickeln wir uns? Ist das nicht irgendwie wunderbar, wenn wir nur denken, welche Veränderungen jeder Mensch im Laufe des Lebens durchgeht? Große und starke Menschen werden aus kleinen und hilflosen Babys und unserem Körper wird mit den Jahren viel zugemutet und es kann sein, dass er am Ende zerbrechlich wirkt. Genauso stark, wie unser Körper sich verändert, verändert sich auch unsere Seele, nur anders. Wenn der Körper mit den Jahren durch Älter- und Schwächerwerden etwas von der Schönheit verliert, dann wird die Seele mit jedem Tag schöner, weil Sie näher und näher zu dem, wer ihr Ursprung ist, geht.

Ob nun jeder Mensch im Laufe der Jahre diese Entwicklung durchmacht oder nicht, ist eine Frage der Entscheidung, manchmal auch des Glücks und der Situation. 

Der heutige Predigttext weist auf einen riesigen Entwicklungssprung der Menschen rund um Jesus hin. 

Alle Katastrophen und alle Wunder, die man sich nur vorstellen kann, sind der Gruppe der Anhänger Jesu geschehen. Eine Achterbahn ohne Ende. Dort, wo scheinbar das Ende nach menschlichen Vorstellungen, der Tod war – kam auf einmal eine absolut unvorstellbare Wende – die Auferstehung. 

Wo das Alte an ihren Todespunkt gekommen ist, fängt das Neue an. Die Glaubensgeschichte an Jesus ist wie ein Maßstab für dieses Geschehen auch in unserem Leben. 

Das ist der Weg der Veränderungen, der immer nach oben führt. Immer dann, wenn das Alte an dem Punkt gekommen ist, wo ein Abschied notwendig ist.

Der heutige Bibeltext ist ein Teil der Abschiedsrede Jesu nach seiner Auferstehung und schildert eine der unbeliebtesten Lebensrealitäten der Menschen. 

Entwicklung und Zukunft würden uns nie Angst machen, wenn sie nicht mit Abschied verbunden wären. Unzählige Menschen wissen und hadern damit, dass sie etwas loslassen müssen – alte Gewohnheiten, alte Beziehungen, alte Verbindungen, alte Träume und unrealistische Vorstellungen oder schlicht und einfach – die Vergangenheit. 

Die schönen Erfahrungen lassen wir meistens ganz leicht los. Sie sind wie ein Ansporn sich auf die nächsten schönen Ereignisse schon zu freuen. Anders geht es uns mit den schweren Erfahrungen, aber genau die sind ja die, von denen wir wissen – sie loszulassen wäre die Voraussetzung für die gute Zukunft. 

Jesusgeschichte gehört zu denen, die man nur schwer loslassen kann. Ähnlich furchtbar, wie chaotische oder nicht geglückte Lebensphasen der Menschen, waren die Verurteilung und Kreuzigung eines Unschuldigen. Die Verbundenheit und Liebe, die Heilungen und die unvorstellbare Einfühlsamkeit Jesu zu seinen Leuten und dann der Verlust dieser Nähe war für seine Jünger eine sehr schwere Erfahrung. Das war der Zerfall aller Hoffnungen. So etwas loszulassen war eine große Herausforderung, weil unglaublich viel Traurigkeit und Sorgen diese Menschen lähmten. 

Heute feiern wir Muttertag. Ein Tag, an dem wir alle an unsere Mütter denken und die Frauen an die eigene Mutterschaft. Ein Tag, an dem wir uns nochmal bewusst machen dürfen: Mit unseren Müttern (aber eigentlich auch zu unseren Vätern) verbindet uns die Liebe, die für immer da sein wird, auch dann, wenn diese Personen nicht mehr leben. Und zu unseren Kindern spüren wir die Liebe, die immer da sein wird. Doch geschieht im Leben so vieles, was nicht für immer ist - unsere Kinder wachsen und werden selbständig, die Beziehungen müssen sich stark im Laufe der Entwicklung unserer Kinder ändern. Unsere Mütter werden alt und wir müssen uns von ihnen verabschieden. Unsere Kindheit weist manchmal Probleme auf, die wir nicht mehr gutmachen können…. So vieles ist in der Mutter – Kind- Beziehung (Eltern-Kind-Beziehung) wie eine Achterbahn. Eine große Sache ist, in dem Ganzen einen Weg zu finden, der uns wirklich weiterführt. 

Aber so unendlich wichtig! Wir alle sind von einer Frau geboren worden und diese Beziehung ist etwas Besonderes. Heute am Muttertag dürfen uns die verschiedenen Abschiede aus der Perspektive der Mütter oder der Kinder bewusstwerden.

Als Frau muss ich mich von jeder einzelnen bezaubernder Lebensphase meiner Kinder verabschieden. Auch von denen, die nicht so verlaufen sind, wie ich das haben wollte. Ich muss mich verabschieden von den Kindern, die ich gerne gehabt hätte, aber die nicht in mein Leben gekommen sind. Als Mann und als Frau muss ich mich verabschieden von meiner ersten großen Liebe – meiner Mutter - und Frieden finden mit all dem, was vielleicht nicht gelungen ist. 

Nichts anderes ist das Loslassen als ein würdiger, guter Abschied von dem, was das Leben heute stören würde. Das Löffelchen mit Brei würde das ältere Kind in seiner Entwicklung einschränken oder die zu große Nähe zur Mutter würde den jungen Mann oder die junge Frau auf ihrem Lebensweg stören. So nehmen wir Abschied von dem, was heute dem Leben nicht mehr dient und lassen uns auf etwas ein, auf das Neue, was kommt, auf das, was unserem Leben ein neues Strahlen, einen Glanz gibt. Fast immer ist das etwas, was wir bis jetzt noch nicht gekannt haben. Wie herrlich ist die Entwicklung des Menschen, wenn er sie wagt!

HERRLICH, was bedeutet das für uns? In der Abschiedsrede spricht Jesus über die Herrlichkeit. Ist das bloß ein Adjektiv, wie SCHÖN, GUT, ERFOLGREICH - oder etwas mehr? Oft denken wir, dass das eine Steigerung des uns schon Bekannten ist. Schön – schöner – herrlich. Gut – besser – herrlich. Dieser unbewusste Sprachgebrauch stört uns oft. das Gute und Schmerzhafte aus der Vergangenheit, von dem wir gerne mehr hätten, loszulassen. Wir glauben, dass durch das Loslassen, durch den Abschied wir alles verlieren, was uns wichtig und wertvoll gewesen ist: Unsere Mütter und unsere Kinder, unsere Familien und unsere Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung. Das Verständnis von der Herrlichkeit bremst uns auf unserem Weg nach oben oder nach vorne in das Gute, in das wirklich Gute unseres Lebens. Das geschieht dann, wenn wir uns immer nach dem orientieren, was wir schon kennen und die versprochene Herrlichkeit Gottes keinen Platz in unserem Denken und Leben hat, wenn uns das Vertrauen fehlt. 

Jesus sagt – „Er (der Geist, der Beistand) wird meine Herrlichkeit sichtbar machen“. Und ich muss mir das erst nicht viel anders vorstellen als die Sichtbarkeit des Geistes Gottes – der absoluten Güte – im realen Leben der Menschen. Das ist die Entwicklung, die die Seele mit jedem Tag stärker und schöner macht und dem Leben eine besondere neue unbekannte Kraft verleiht. DIESE HERRLICHKEIT – das ist nicht MEHR von dem, was wir schon hatten und befürchten zu verlieren oder schmerzhaft vermissen, sondern die Fülle von dem, was wir noch nie gehabt haben und auch nicht kennen. Dorthin führt der Weg der Entwicklung, wenn wir glauben. Dorthin gehen wir, wenn wir im Glauben dem mütterlichen, fürsorglichen, lebensstiftenden Gott vertrauen. So gehen wir in die Zukunft, so entwickeln wir uns: durch Abschied. So verabschieden wir uns auch von dem Bild Gottes, der uns wie ein Mensch an der Hand hält, wie eine Mutter oder ein Vater das kleine Kind halten, und vertrauen dem Beistand Gottes, dem Geist Gottes, der in uns, den Getauften, lebt. 

Amen.