Evangelische Pfarrgemeinde Gmünd – Waidhofen an der Thaya

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Dialogpredigt Liebe ist …

Der Predigttext ist aus Kor 1, 26-31 (BasisBibel)

26 Schaut euch doch selbst an, Brüder und Schwestern. Wen hat Gott berufen, zu Christus zu gehören? Nach menschlichem Maßstab geurteilt, gibt es da nicht viele Weise oder Einflussreiche. Es gibt auch nicht viele, die aus vornehmen Familien stammen! 27 Nein, was der Welt als dumm erscheint, das hat Gott ausgewählt, um die Weisen zu demütigen. Und was der Welt schwach erscheint, das hat Gott ausgewählt, um ihre Stärke zu beschämen. 28 Was für die Welt keine Bedeutung hat und von ihr verachtet wird, das hat Gott ausgewählt. Er hat also gerade das ausgewählt, was nichts zählt. So setzt er das außer Kraft, was etwas zählt. 29 Deshalb kann kein Mensch vor Gott stolz sein. 30 Gott allein habt ihr es zu verdanken, dass ihr zu Christus Jesus gehört. Er bringt uns die Weisheit, die von Gott kommt, Gerechtigkeit, Heiligkeit und Erlösung. 31 Denn es sollte gültig bleiben, was in der Heiligen Schrift steht: »Wer auf etwas stolz sein will, soll auf den Herrn stolz sein.«

  1. Die kleine Lisa aus dem Nachbarhaus, die ich immer wieder beim Spazierengehen sehe, hat dieses Jahr ihr erstes „Mensch ärgere dich nicht“ zu Weihnachten geschenkt bekommen. Beim Auspacken war sie sehr begeistert – das ist IHR Spiel! Und nicht das alte von dem großen Cousin, dass sie zwar so gerne gespielt hat, aber immer wieder dabei verloren hat. Jetzt, wenn sie ihr Spiel spielen wird, wird sie immer gewinnen. Doch auf dem weißen, gar nicht spannenden Zettel, den sie beim Auspacken erst zur Seite gelegt hat, sollten die Spielregeln sein. Der Papa meinte: „Sie sind sehr wichtig – ohne Spielregeln kann man gar nicht richtig spielen!“

  2. Spielregeln!!!?? Das klingt gar nicht nach Spaß, denkt die kleine Lisa. Sie hat sich schon vorgestellt, wie sie alle ihre Spielfiguren, am besten die Roten oder auch die Gelben als erste in ihren Himmel, so nennt man das Zielfeld, bringt. Aber wenn jetzt die Spielregeln dieselben, wie beim Cousin Robert sind, dann weiß sie – es gelingt nur manchmal und manchmal verliert sie. Aber vielleicht darf sie bei ihrem eigenen Spiel schummeln, weil es ja ihres ist und bei ihrem Spiel will sie auf keinen Fall verlieren.

  3. Geht es uns manchmal nicht ähnlich mit dem Leben? Es ist doch mein Leben und ich schreibe die Spielregeln, damit ich in meinen eigenen Augen erfolgreich bin. Erfolgreich kann vieles bedeuten – für einen ist das ein schneller Berufserfolg, für den anderen Bewunderung, das Gefühl ein guter oder kluger Mensch zu sein, alles richtig zu machen oder von anderen geliebt und wertgeschätzt zu werden. „Jeder will erfolgreich sein!“ sagte vor einigen Wochen eine Bekannte. Jeder will erfolgreich sein!

  4. Aber wie? Was sind die Spielregeln des Lebens? Gibt es die Spielregeln des Erfolges? Jedenfalls Ratgeber gibt es in diesem Bereich viele, aber ob sie mich immer zum Zielfeld bringen? Es ist das Gefühl, dass mir das, wozu ich lebe, gelungen ist, und das ich zur rechten Zeit in den Himmel des Lebensspieles komme?  Die Bibel ist das Buch, das uns über Jahrtausende zu diesen Fragen berät und uns hilft die Spielregeln des Lebens zu begreifen. Die Jahreslosung 2024 trifft den Nerv des Lebens mit der Botschaft Jesu: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!“ 1. Kor 16, 14 – also unsere Spielregeln sind Liebe.

  5. Liebe… was ist sie? Paulus in dem 1. Korintherbrief aus dem nicht nur die Jahreslosung, sondern auch unser Predigttext stammt, beschäftigt sich mit den aufgetretenen Schwierigkeiten in der jungen Gemeinde in Korinth. Offensichtlich ist es diesen Menschen ganz wichtig alles gut und richtig zu machen. Sie streben nach Weisheit, nach richtigen Antworten in Lebensfragen und Glaubensfragen. Liebe und die Freiheit des Christenmenschen ist eine wichtige Frage. Zum Streitpunkt wird das Essen des Opferfleisches, das bei heidnischen Ritualen geopfert wurde. Für einige bedeutete Freiheit, dass alles erlaubt ist und es keine einengenden Spielregeln gibt, für andere war diese Idee abstoßend. Es gab viele Streitereien über das, was gut und richtig ist. Es gab Streit.

  6. Paulus versucht die im Streit verfallene Gemeinde zum Frieden zu bringen und das tut er in dem, dass er die Menschen würdigt und ihnen die Spielregeln der christlichen Gemeinde vor den Augen führt. Schon im 1. Kapitel sagt er: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ und versucht es zu erklären, wie das in der Tat in einer Pfarrgemeinde aussieht, wenn der Erfolg die Liebe und nicht äußerlich sichtbare Erfolgserlebnisse ist. Und er zählt auf, dass weder Macht und weltliches Wissen noch Anstand und gutes Benehmen dabei entscheidend sind. Erfolg, der durch Liebe geschieht, ist mit weltverbundenen Begriffen nicht erklärbar. Erfolg, der durch Liebe geschieht, ist unbedeutsam und nach weltlichen Maßstäben nichts, er ist für die Augen unsichtbar.

  7. Paulus sagt: „Deshalb kann kein Mensch vor Gott stolz sein.30Gott allein habt ihr es zu verdanken, dass ihr zu Christus Jesus gehört.“ Christ zu sein, den Glauben zu leben bedeutet die Spielregeln Gottes – seine Liebe zu uns Menschen - für das eigene Leben zu übernehmen. Zu Jesus Christus zu gehören, zu der christlichen Gemeinde dazugehören, bedeutet bewusst die Spielregeln Gottes - die Spielregeln der Liebe – für das eigene Leben geltend zu machen und dadurch im Einklang mit Gott zu leben.

  8. Man könnte missverständlich denken – die Spielregeln, die Paulus benennt, sind: „Sei klein, unbedeutsam, unwichtig, halte dich klein – dann wirst du groß bei Gott sein. Dann kommst du, vielleicht, ohne viel Mühe sogar in den Himmel des Lebensspieles.“ Doch Paulus sagt das nicht und seine Worte sind keine Ermutigung zu schummeln um mehr Ansehen, Macht und Erfolg zu bekommen. Ganz im Gegenteil – er redet über die Berufung, was schon von alleine etwas ganz Großes ist. Wer seine Berufung entdeckt hat, ist ein Erfolgreicher auch wenn er im Leben manchmal gewinnt und manchmal verliert. Berufung ist eine besondere Fähigkeit, sie ist ein Auftrag. Den Spielregeln Gottes ohne Schummeln zu folgen, bedeutet die eigene Berufung zu erkennen und zu leben.

  9. Paulus ermutigt seine Leserinnen und Leser ihrer Berufung zu folgen. Er benennt die Konsequenzen, die aus dem Leben im Einklang mit Gott entstehen und schreibt: „Er (Christus) bringt uns die Weisheit, die von Gott kommt, Gerechtigkeit, Heiligkeit und Erlösung.“  All das ist etwas vollkommen anderes als das, was uns jeglicher weltbezogener Erfolg bringt oder bringen könnte. Die Berufung zum Glauben eröffnet einen völlig neuen Horizont. In meinem Alltagsleben bezeichne ich das als die Fähigkeit „klar zu sehen“ und zu spüren: Wenn wir im Einklang mit Gott leben, seine Spielregeln der Liebe akzeptieren, dann ist unsere Aufgabe das alte Erfolgsdenken loszulassen und SEINE Spielregeln für unser Leben geltend zu machen. Darauf dürfen wir als Christen stolz sein. Apostel Paulus zitiert den Propheten Jeremia und schreibt: »Wer auf etwas stolz sein will, soll auf den Herrn (auf Gott) stolz sein.« Vielleicht wirken die Schriften und die Worte über die Liebe Gottes auf viele Menschen erst wie ein unattraktiver Zettel, den sie zur Seite legen – doch er ist wichtig! Auf dem finden wir die Spielregeln der Liebe nach denen wir berufen sind weise, gerecht, heilig und erlöst zu werden und zu wissen – das ist etwas mehr als nur der Erfolg um jeden Preis. Liebe ist die Berufung.