Luther und der Weltspartag

Am 31. Oktober 1961, also vor mehr als 60 Jahren, machte sich unser Lehrer, Herr Jonassen, auf, unsere gesamte Klasse mit immerhin fast 40 Schülerinnen und Schüler zwei Kilometer weit in die Stadt zu führen. Wir waren von der Sparkasse eingeladen worden. Wir, das war eine wirklich bunte Schar bestehend aus lauter 8- bis 9jährigen Kindern. Welch große Verantwortung für den Lehrer, dies alles ohne Begleitperson zu bewerkstelligen. Doch es ging mit ganz einfachen Regeln: „In Zweierreihen und ordentlich zusammenbleiben.“ Und das war’s auch schon.

Nach der Königsbrücke mit der Bude, wo man „Ahoi“-Brausepulver kaufen konnte und dem Ablaufberg des Rangierbahnhofs ging es über den Kleibergweg hinunter zur Zollstraße. Dort bog man rechts in die Schiefestraße ab und an unserer alten Luisenschule vorbei gingen wir, bis wir auf die Enscheder Straße kamen, die unser Städtchen mit der bereits niederländischen Großstadt Enschede verband. Nun in Richtung Ortsmitte und schon hatten bald die Einmündung der Bahnhofstraße und den Beginn der Neustraße mit ihren vielen Geschäften erreicht.

Und dort stand es: Das erst vor kurzem fertiggestellte Gebäude der Stadtsparkasse Gronau. Stolz erwartete uns der Direktor in der großen Kassenhalle, um uns Kindern zu erklären, wie wichtig es ist, zu sparen und dass ohne die Sparkassen unsere Wirtschaft, also die Geschäfte, Fabriken, Handwerker usw. und somit auch unsere Eltern und auch wir Kinder bald Probleme bekommen würde.

Und nachdem wir endlich alle entsprechend vorbereitet waren, wollte er die sein spezielles Anliegen dieses Tages zur Sprache bringen. Er machte es spannend und fragte also die gesamte Klasse: „Und heute, liebe Kinder, feiern wir einen ganz besonderen Tag. Wer also von Euch kann mir sagen, was das für ein Tag ist?“ Heutige Kinder würden jetzt alle im Durcheinander die Antwort zusammen schnattern, doch wir waren damals recht diszipliniert und in der fremden Umgebung etwas schüchtern.

Ich hob die Hand und tatsächlich rief mich der Herr Direktor auf: „Ja bitte, was also ist heut für ein Tag?“ Meine Antwort war kurz „Heute ist der REFORMATIONSTAG.“ Unser Lehrer hätte beinahe laut losgelacht und auch der Herr Direktor begann zu lächeln und meinte „Ja da hast du ganz recht, mein Junge, doch meinte ich den Weltspartag.“

Zum Abschied erhielten wir jeder eine kleine Schokolade und das war damals für uns noch etwas Besonderes, was man eher selten bekam. Auch ich bekam eine, obwohl ich mit meiner falschen Antwort im guten Glauben nahezu die gesamte Präsentation des Direktors zunichtegemacht hatte.

Und wie gehts dem Reformationstag heute? Der Weltspartag mitsamt dem Sparefroh war den Evangelischen nie ein Konkurrent. Doch ist seit ein paar Jahrzehnten mit Halloween ein neuer Mitbewerber erschienen. „Kürbis gegen Luther?“ Immer noch steht bei uns oben auf dem Kirchturm ein Kreuz und kein Kürbis und so wird es auch bleiben.

© Klaus Schedler 2023-10-30
(www.story.one/de/story/luther-und-der-weltspartag/)

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